
Könige und Kaiser in Goslar - ein Streifzug durch das Mittelalter
Als der letzte König vom Stamm der Liudolfinger, Heinrich II. (1002 – 1024), zwischen 1013 und 1017 wegen politischer Spannungen mit dem sächsischen Adel die Königspfalz Werla nach Goslar verlegen lässt, wählt er mit der damals noch bescheidenen Siedlung am Nordwestharz einen vorzüglichen Stützpunkt der Königsherrschaft: Inmitten von Reichsbesitz, im Umfeld des Bergbaus und mit günstigen Verkehrsanbindungen ist Goslar das attraktive „Tor nach Sachsen“.
Etwa zu dieser Zeit erlebt auch der Erzabbau am Rammelsberg eine erste Hochkonjunktur; im Mittelharz erreicht die Förderung von Roteisenerz zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen ein „industrielles“ Ausmaß. Der Harz ist eine regelrechte „Rüstkammer des Reiches“. Solche günstigen Faktoren dürften auch den zweiten Salier Heinrich III. (1039 – 1056) dazu bewogen haben, die ältere Pfalz Heinrichs II. aufzugeben und den Neubau einer Pfalzanlage im 11. Jahrhundert auf dem heutigen Liebfrauenberg zu veranlassen.
Ab diesem Zeitpunkt rückt das mittelalterliche Königtum mit Goslar in engste Verbindung: 130 Königsbesuche zwischen 1039 und 1253 zeichnen Pfalz und Stadt zum Vorzugsort der Salier und Staufer aus. Bereits nach vollendetem Bau der Kaiserpfalz steigt Goslar zu einer der „reichsten Städte“ des Kaiserreichs auf.


“Erfasst von einer damals völlig unbekannten Zuneigung zum Harz“ hat König Heinrich IV. (1056 – 1106) Goslar zur ständigeren Basis seiner Macht gestalten wollen. Unter diesem Salier ist der Harz zwischenzeitlich sogar Stütze des deutschen Königtums und Goslar dabei „der erste Sitz des Reiches“. Nicht zufällig erreicht Heinrich IV. vor seinem berühmten Gang nach Canossa (1077) ein Schreiben des Papstes in seiner Goslarer Pfalz.
Das Schicksal zweier Weltberühmtheiten des Hochmittelalters erscheint eng verwoben mit der mittelalterlichen Geschichte der Pfalz und ist gleichzeitig ein beliebtes Kapitel Niedersächsischer Regionalhistorie: Friedrich I. Barbarossa (1152 – 1190) und Herzog Heinrich der Löwe (1142 – 1180).
Zwar hatte Barbarossa seinem Verwandten Heinrich dem Löwen das Herzogtum Bayern und die Reichsvogtei in Goslar verliehen – doch das genügt dem verwegenen Herzog nicht. Mehrfach kündigt der Löwe Ansprüche auf die Stadt Goslar an. Nach Ächtung und Sturz des Löwen 1180/81 strebt Barbarossa danach, die Pfalz in Goslar in den Mittelpunkt einer neu gestärkten Königsherrschaft am Harz zu rücken. Vor seinem Aufbruch zum Dritten Kreuzzug feiert Barbarossa im August 1188 in der Goslarer Pfalz seinen letzten glanzvollen Reichstag in Sachsen.
Mit dem Ausgang der Staufer im 13. Jahrhundert versiegt auch der alte Kaiserglanz in Goslar. Nach den Wirren einer kaiserlosen Zeit zwischen 1254 und 1273 gelangten im Spätmittelalter Könige und Kaiser an die Macht, die in ihren süddeutschen Stammgebieten ihre eigenen machtpolitischen Ziele verfolgen und den Weg nach Goslar nicht mehr auf sich nehmen. Goslar und der Harz rücken zur königsfernen Landschaft ab.
Der Saalbau der Pfalz dient fortan als Gerichtsstätte für den Reichsvogt, ab 1290 sodann für den von der Stadt bestellten Vogt. In der Neuzeit nimmt der Funktionswandel geradezu befremdende Formen an: als Kornspeicher, Lagerstätte und Stadtgefängnis dienen die noch erhaltenen Baubestandteile.